Waarts’s review published on Letterboxd:
<ENGLISH VERSION BELOW>
Schmeicheleien
Der pompöse Klang immersiven Trommelns. Die durchdringliche Melodie der Schlacht. Der abwendende Tonfall eines Gefallenen: Das Klirren und Getöse eines Gefechtes im intensiven Gewand einer Verleumdung.
Nachdem der Klang und gleichwohl die verharmlosende Darstellung der Musik verstummte, ist kein Ende des schieren Unverständnisses in Sicht.
So streift Ran über die wundersamen Felder, verträumten Wolkenspiele und das gleißende Wasser, im Antlitz einer Handlung der Rache, Habgier und brutaler Mittel, um jene Ziele zu erreichen. Ein breitgefächertes Spektrum im Auftreten einer pulsierend durchdachten Handlung, vermag es einzig den Zielen für den Anfang genügend Aufmerksamkeit und Tiefgang zu verleihen, sodass die Intention in den Hintergrund gerät und lediglich am Ende des Films eine Stellung beziehen kann. Doch dann weiß der Zuschauer sich lediglich in den Folgen, nicht in letztlichen Intentionen zu verlieren, unwichtig in welcher Relation diese zu dem komplexen Gespann aus den gegebenen Figuren stehen.
Die Komplexität einer Geschichte von Fürsten
Der Großfürst überlässt seinen Söhnen jeweils eine Burg, wobei der älteste unter ihnen die Entscheidungsgewalt erhält. Nachdem der jüngste Sohn von seinem Empfinden gegenüber dem möglichen Verhalten seiner Brüder getrieben, verbannt wird, entblößt sich progressiv ein Konstrukt aus Intrigen und Verrat. Im stetigen Kampf für die eigene Stellung innerhalb eines Herrschaftsgebiets, dass innerhalb des Films nicht viel über die Regierten preisgibt. Die Handlung nimmt sich sämtliche Abschnitte für die miteinander verwebten Interessen der einzelnen zu Beginn aufgebauten Figuren.
Eine große Stärke des Films ist dahingehend die Verzweigung in allerlei abwegiger Richtungen. Dabei setzt der Film genau an dem Punkt ein, wo die Atmosphäre ausgelassen, aber vor allem vertraut erscheint. Der Zuschauer vermag wohl kaum zu vermuten, inwieweit sich die Charaktere im Inneren bereits distanzierten, oder im eigenen Sinne intentionieren. Ob sich der Großfürst nun in seiner Entscheidung irrte, oder Missverständnisse Zeuge von Irrungen wurden, lässt sich anhand zweier Herangehensweisen kategorisieren.
1. Der Fehler ausgehend vom ersten Bruder
Würde der Erstgeborene seinen Vater nicht nach dessen Empfinden beleidigen, wäre ein moralischer Kompass möglich gewesen. Und auch wenn es den Angriff die dritte Burg in dieser Form nicht gegeben hätte, so würden dennoch interne Konflikte entstehen. Der Charakter des Erst- und Zweitgeborenen ist auf Macht bestimmt und an Intrigen gebunden. Die Genialität der Handlung besteht einerseits also in der stetigen Unwissenheit, welche Sequenz zu welcher Konsequenz führt, und wie weit die Figuren gehen werden, um mit ihrer egozentrischen Art sämtliche problematische Verstrickungen mitzureißen. Andererseits forciert die Handlung Unwissenheit in Form von plötzlichen Wendungen und allgegenwärtiger Anspannung, ob sich das erwartete Ergebnis verändern mag.
2. Der Fehler ausgehend vom Großfürsten
Natürlich könne man darüber spekulieren, was geschehen würde, hätte der Großfürst seine Stellung nicht weitergegeben. Doch weitaus expliziter wäre der Fehler eher Stolz. Obgleich der Stolz epochal und traditional von äußerster Wichtigkeit ist, verlieren sich Trennungen zwischen Söhnen und Vater in kleinlichen Differenzen. Zu beurteilen wie moralisch beide Fraktionen in den Situationen gehandelt haben, ist, plump gesagt, falsch. Stattdessen fallen dahingehend kulturelle Gegebenheiten und Darstellungsweisen auf, welche die Handlung in ein tiefgreifenderes Licht rücken.
Immer verstrickter und auf sich aufbauender, werden Verzweigungen gerade durch den immer progressiver erscheinenden Stil geschnürt, um eine durchdachte Wirkung zu erzeugen. Nicht nur im visuellen und actionbasierten Bereich.
intensive Eindrücke in Gefühlen und Situationen
Neben der durchaus besonderen Handlung(-sstruktur) verbirgt sich hinter Ran eine besondere Form der Kameraarbeit, gerade um Gefühle zum Ausdruck zu bringen und zu verdeutlichen.
Im Grunde stellt eine eindrückliche, länger auf eine Situation gepolte Kameraperspektive keine neuartige, oder revolutionäre Form dar, doch gerade in der heutigen Filmlandschaft, geprägt durch Hektik und den neuesten Schnickschnack, erscheint diese Kameraarbeit gar erfrischend. So fokussiert sich die Kamera teils sekundenlang auf eine Szenerie, die abgeschlossen scheint. Dennoch versteckt sich in vielen dieser Szenen wichtige wohlwollende Reaktionen, um die Figuren besser verstehen zu können. Des Weiteren bieten solche Szenen ebenso ein gewisses Maß an Charme, vor allem wenn der Zuschauer einer gedeihenden Landschaft und Charakteren dabei zusehen kann, wie sie miteinander verschmelzen, oder ihre Gefühle zum Ausdruck bringen.
Die drei Brüder und inwiefern ihre Entscheidungen und Missverständnisse die anderen prägen
In der Rollenbesetzung, fallen die drei Söhne des Großfürsten in zwei Kategorien. Die ersten beiden Brüder stellen pragmatisch die Antagonisten, während der dritte Bruder den Protagonisten darstellt. Dennoch ist dieser Film ein klares Beispiel dafür, dass es keine wirkliche Antagonistenbesetzung gibt, obgleich Intentionen darauf schließen könnten. Trotzdem sind diese mehr als Gespann aus drei Figuren anzusehen, deren Entscheidungen direkten Einfluss auf die Handlungsstruktur in Form von Wendungen, etc. nehmen. Dabei tritt der dritte, verbannte Bruder als vermeintlicher Protagonist eher in den Hintergrund, während die anderen Figuren von seinen Taten und seiner Präsenz zeugen.
Anhand der Tatsache, dass dieses Gespann aus direkten Auslösern der Handlung und dem gleichzeitigen Kern, exzessiv für Delikte und das Fortschreiten des Verlaufs verantwortlich sind, lassen sich diese ebenfalls als Dreh- und Wendepunkt anerkennen. So nutzt der Film einiges seiner Laufzeit, um gerade die ersten beiden Brüder in ihrem Charakter auszubauen und offenbart früh die wahren Hintergrundgedanken und Intentionen. Die klassische Intention, auf der Suche nach Macht, spiegelt sich selbsterklärend in den Schlachten, aber auch in den Reaktionen der jeweils anderen wider. Der letztendliche Zerfall des Zusammenhalts und Verbannungen spalten somit nicht nur das Empfinden, sondern auch die tristen Vorstellungen einer idealen Welt. Denn da, wo der eine Schönheit sehen mag, versetzen die Folgen einer Schlacht das Empfinden des anderen auf eine andere Perspektive, fern ab des Verständnisses des gegenüber stehenden Feindes. Einstiger Frieden gerät in Vergessenheit.
Rache
Als Synonym für personifizierte Vergeltung, stellt Rache innerhalb
dieses von Akira Kurosawa geschaffenen Werks viel mehr eine durchlaufende, erneut progressive Form der Erzählung dar. Als Frau des ersten Bruders vorgestellt, erfährt der Zuschauer mit Fortschreiten der Handlung von der brutalen Übernahme ihres Hauses. So motiviert der Film bereits zu Vermutungen hinsichtlich geplanter Rache, welche sich jedoch in weitaus brutalerem Maße äußern sollten. Als einziger Plan fungiert der Verlauf des Films am Ende als durchdachte Schablone, welche nahezu vollständig aufgehen konnte. Jene Familie in den Ruin zu treiben, samt Massen von Kriegerreihen, welche ähnliches zuvor wagte, wirft wie sooft die Moralfrage in eine Diskussion. Tatsächlich ist die Epoche Antwort genug, um zu verstehen, dass jene kriegerische Aktivitäten von damals, nicht mit heutigen Moralvorstellungen aufzuwiegen sind.
Warum die Dialoge einen solch brillanten Stellenwert einnehmen
Die Kluft zwischen Dynamik und Lyrik gräbt innerhalb dieses Films äußerst tief. In einigen Sequenzen bis ins Äußerste durchkoordiniert, oder völlig prägnant, in Kombination mit Schlachten. Durchaus etappenweise zu geschwollen für heutige Werke, schmiegen sich jene bedeutungsschweren Dialoge dennoch wunderbar in die eingeleitete Welt an, gerade wenn ein großer Teil des Films mit Gesprächen gespickt ist. Inwiefern in gewissen Aspekten sogar informierende Botschaften stecken können, prägt gerade den Anfang und Mittelteil des Films
Die Relation zwischen Aufbau und Schlacht - audiovisuelle Besonderheiten
Die ersten zwanzig Minuten sind Beweis genug, wie versiert der Film die Handlung einsetzt. Die Kamera bleibt weitreichend still und nutzt wenige Veränderungen, um grandiose Bilder zu erzeugen, während das Geschehen lediglich mit humoristischen Dialogen, oder das Rollenverteilen, betraut ist. Dennoch geht der Film dahingehend so ruhig an das Geschehen, dass es gewissermaßen eine Antithese zu der folgenden, ausschweifend lauten Action, bilden könnte.
Die zwei Schlachten grenzen im Gesamtüberblick perfekt an Aufbauten notwendiger Komponenten an und werden gelungen im Verlauf des Films balanciert.
Innerhalb der ersten Schlacht fällt eine einfache, aber vielsagende Besonderheit ins Augenmerk. Der Boden vibriert, mit Unebenheiten gespickt und von dem Getöse der verzweifelten Schreie. Eben diese realitätsnahe Herangehensweise wird erst nach einem gewissen Zeitpunkt angepeilt. Zunächst untermauert ein imposanter Soundtrack die Reaktion des Großfürsten auf die Schlacht und ihre Einzelheiten. Bis einer der Fürsten fällt, um den Soundtrack zu stoppen und ohne Musik fortzufahren. Stattdessen ertönen erschütternde Klänge kriegerischen Treibens; ohne Rückhalt die extremsten Seiten aufzuzeigen.
Schmeicheleien
Der Grund, die Prämisse und das Grundproblem des Films sind die trügerischen Zeugen tadellosen Lobs, welcher sich in die Gedanken des Opfers breitmachen können, um bestimmte Ziele erreichbarer erscheinen zu lassen: Schmeicheleien. Ohne diese Form falscher Freundlichkeit, würde die wahre Natur der Figuren offengelegt werden. Es gäbe keinen Schutz und keine Sicherheit vor Konsequenzen, sowie Anlässe für feierliche Treffen. Das Fürstentum zu dieser Zeit, wurde darauf gebaut und dies wurde erkannt.
Insgesamt ist Ran die grandiose Visualisierung einer komplexen und brillant geschriebenen, sowie eigenständigen Handlung, die sich zu keinem Zeitpunkt verfängt.
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ENGLISH VERSION
Flattery
The pompous sound of immersive drumming. The piercing melody of battle. The averting tone of a fallen man: The clang and roar of a skirmish in the intense garb of a slur.
After the sound and, nonetheless, the belittling portrayal of music has died away, there is no end in sight to the sheer incomprehension.
So Ran roams over the wondrous fields, dreamy cloud plays and glistening waters, in the face of an act of revenge, greed and brutal means to achieve those ends. A broad spectrum in the appearance of a pulsatingly thought-out plot is only able to give the goals enough attention and depth for the beginning, so that the intention fades into the background and can only take a stand at the end of the film. But then the viewer only knows how to lose himself in the consequences, not in the final intentions, regardless of how they relate to the complex team of given characters.
The complexity of a story of princes
The grand prince leaves a castle to each of his sons, with the eldest among them having the power of decision. After the youngest son, driven by his feelings towards the possible behaviour of his brothers, is banished, a construct of intrigue and betrayal progressively unravels. In the constant struggle for one's position within a dominion that does not reveal much about the governed within the film. The plot takes all sections for the interwoven interests of the individual characters built up at the beginning.
A great strength of the film in this respect is the branching out in all kinds of deviant directions. The film begins exactly at the point where the atmosphere seems exuberant, but above all familiar. The viewer can hardly guess to what extent the characters are already distancing themselves inside, or intending in their own sense. Whether the Grand Prince was mistaken in his decision, or whether misunderstandings were witnessed, can be categorised on the basis of two approaches.
1. the error starting from the first brother
If the first-born did not offend his father according to his perception, a moral compass would have been possible. And even if the attack would not have caused the third castle in this form, internal conflicts would still have arisen. The character of the first and second born is destined for power and bound to intrigue. So, on the one hand, the genius of the plot lies in the constant ignorance of which sequence will lead to which consequence, and how far the characters will go to drag all problematic entanglements along with their egocentric nature. On the other hand, the plot forces ignorance in the form of sudden turns and omnipresent tension as to whether the expected outcome may change.
2. the mistake starting with the grand prince
Of course, one could speculate about what would happen if the Grand Prince had not passed on his position. But far more explicitly, the mistake would be pride. Although pride is epochal and traditionally of the utmost importance, divisions between sons and father get lost in petty differences. To judge how morally both factions acted in the situations is, to put it bluntly, wrong. Instead, cultural realities and modes of representation stand out in this regard, casting the plot in a more profound light.
Ever more entangled and building upon itself, ramifications are laced precisely by the increasingly progressive style to create a thoughtful effect. Not only in the visual and action-based realm.
Intense impressions in feelings and situations
In addition to the thoroughly special plot(-structure), Ran hides a special form of camera work, precisely to express and clarify feelings.
Basically, an impressive camera perspective that focuses on a situation for a longer period of time is not a new or revolutionary form, but in today's film landscape, characterised by a hectic pace and the latest gadgets, this camera work seems refreshing. The camera focuses for seconds on a scene that seems to be self-contained. Nevertheless, many of these scenes hide important benevolent reactions in order to better understand the characters. Furthermore, such scenes also offer a certain amount of charm, especially when the viewer can watch a thriving landscape and characters merging with each other or expressing their feelings.
The three brothers and how their decisions and misunderstandings shape the others
In terms of casting, the three sons of the Grand Duke fall into two categories. The first two brothers are pragmatically the antagonists, while the third brother is the protagonist. Nevertheless, this film is a clear example of how there is no real antagonist cast, although intentions might suggest this. Nevertheless, they are more to be seen as a team of three characters whose decisions directly influence the plot structure in the form of twists, etc. In this context, the third, exiled brother tends to fade into the background as the supposed protagonist, while the other characters bear witness to his deeds and presence.
Based on the fact that this team of direct triggers of the plot and the simultaneous core, are excessively responsible for offences and the progression of the course, they can also be recognised as the pivot and turning point. Thus, the film uses some of its running time to build up the character of the first two brothers in particular and reveals the true background thoughts and intentions early on. The classic intention, in search of power, is self-explanatorily reflected in the battles, but also in each other's reactions. The eventual disintegration of cohesion and banishments thus divide not only sensibilities but also the dreary notions of an ideal world. For where one may see beauty, the aftermath of battle shifts the sensibilities of the other to a different perspective, far from the understanding of the enemy opposite. Former peace is forgotten.
Revenge
As a synonym for personified retribution, revenge is the most important
Akira Kurosawa's work, revenge is much more a continuous, once again progressive form of narration. Introduced as the wife of the first brother, the audience learns of the brutal takeover of her house as the plot progresses. Thus, the film already motivates assumptions about planned revenge, which, however, should manifest itself in a far more brutal way. As the only plan, the course of the film in the end functions as a well thought-out template, which could almost completely work out. Driving that family to ruin, along with masses of warrior ranks who dared to do the same before, throws the moral question into discussion, as it so often does. In fact, the era is answer enough to understand that those warlike activities of yesteryear are not worthy of today's moral standards.
Why the dialogues occupy such a brilliant place
The gap between dynamics and lyricism digs extremely deep within this film. Coordinated to the extreme in some sequences, or completely incisive, in combination with battles. Excessively turgid in stages for today's works, those meaningful dialogues nevertheless nestle beautifully into the initiated world, especially when much of the film is peppered with conversation. The extent to which there can even be informative messages in certain aspects is a hallmark of the film's beginning and middle sections in particular.
The relation between the build-up and the battle - audiovisual peculiarities
The first twenty minutes are proof enough of how adeptly the film uses the plot. The camera remains largely still and uses few changes to create grandiose images, while the action is merely entrusted with humorous dialogue, or the distribution of roles. Nevertheless, the film approaches the action so calmly that it could, in a way, form an antithesis to the debauched, noisy action that follows.
The two battles, when viewed as a whole, border perfectly on build-ups of necessary components and are successfully balanced throughout the film.
Within the first battle, a simple but telling feature catches the eye. The ground vibrates, peppered with bumps and from the roar of desperate cries. It is precisely this realistic approach that is targeted after a certain point. At first, an imposing soundtrack underpins the Grand Prince's reaction to the battle and its details. Until one of the princes falls to stop the soundtrack and continue without music. Instead, harrowing sounds of warlike activity ring out; showing the most extreme sides without restraint.
Flattery
The reason, the premise and the basic problem of the film are the deceptive witnesses of impeccable praise that can enter the victim's mind to make certain goals seem more attainable: flattery. Without this form of false kindness, the true nature of the characters would be revealed. There would be no protection and security from consequences, as well as occasions for ceremonial meetings. The principality at that time, was built on this and this was recognised.
Overall, Ran is a grandiose visualisation of a complex and brilliantly written, as well as self-contained plot that never gets bogged down at any point.